Frustrationstoleranz – Der Einstieg – Teil 1/4

Frustrationstoleranz – Der Einstieg – Teil 1/4

Frustrationstoleranz – ein tolles Wort, welches nicht nur in der Hundewelt ein Thema ist

Wir werden jeden Tag mit Situationen konfrontiert, in denen unsere Frustrationstoleranz ausgetestet wird. Nur zwei Beispiele reichen aus, damit ihr bestimmt wisst was ich meine:

Wir stehen an der Kasse in der Schlange an und haben eigentlich so gar keine Zeit. Und da der Herr vor uns einzeln jeden Cent aus seiner Geldtasche zieht, führt das nicht gerade dazu, dass wir entspannter werden.

Was passiert, wenn du Hunger hast? Viele von euch werden das kennen, dass sie dann gereizter sind und mit ihnen nicht mehr gut Kirschen zu essen ist.

Aber was hat das alles mit der Frustrationstoleranz zu tun?

Frustration entsteht immer dann, wenn ein Verhalten nicht zum gewünschten Ziel führt, wenn Bedürfnisse nicht befriedigt werden können oder eine erwartete Belohnung ausbleibt. Auch wenn Belohnungen seltener oder geringer als erwartet ausfallen entsteht Frust.

Der Begriff Frustrationstoleranz beschreibt in der Psychologie den Umgang mit inneren Impulsen oder Außenreizen und Enttäuschungen. Es geht hier allgemein um sozial erwünschtes Verhalten. Es beschreibt die Fähigkeit, wie gut man auch mit negativen Gefühlen und anderen Rückschlägen umgehen kann.

Ein Lebewesen mit einer geringen Frustrationstoleranz hält es nicht oder nur schlecht aus, wenn seine Wünsche, Triebe und/oder direkten Bedürfnisse nicht sofort befriedigt werden.

Wer dazu im Gegensatz eine hohe Frustrationstoleranz besitzt, hat die Fähigkeit vorübergehende Unannehmlichkeiten (z. B. Warten an der Kasse) ruhig und gelassen auszuhalten und kommt somit stressfreier durchs Leben.

Warten will gelernt sein

Nun zum Hund:

Frustration wird im Hundetraining sehr oft unterschätzt. Es hat aber weitgreifende Auswirkungen auf das Verhalten des Hundes. Da wir ganzheitlich arbeiten, wird dieser Punkt immer wieder miteinbezogen. Denn Frust ist ein sehr negatives Gefühl, das zu einer Steigerung des Erregungslevels oder/und auch zu einem Meideverhalten führt. Es steigert Aggressions- und Angstverhalten und führt zu Übersprungshandlungen. Empfindet dein Hund Frust (das gleiche gilt für uns Menschen), geht es ihm nicht gut. Und ein Leben ohne Frust ist NICHT möglich! Jeden Tag geraten wir in Situationen, wo wir unserem Hund Frust aussetzen, vielleicht ist es uns nur nicht bewusst.

„Ein Hund kann nicht NICHTS tun!“

Dein Hund möchte etwas haben und ist frustriert, wenn er es nicht gleich oder unmittelbar bekommt. Hört sich ja erst einmal einfach an. Doch so einfach ist es nicht.

Auch Frust löst Stress aus!

Hier ein Lesetipp für dich:
Stress beim Hund

Ich zeige euch anhand der folgenden Beispiele, dass wir unseren Horizont erweitern müssen, um Frustration als Ursache für ein Verhalten ausfindig machen zu können:

Du möchtest deinem Hund einen neuen Trick beibringen und du hast dir eine Strategie überlegt, wie der Hund das ganze umzusetzen hat. Doch anstatt das dein Hund freudig mitmacht, verfällt er ins Bellen (kann auch bei anderen Übungen passieren).

Was ist geschehen?

Frustration (in dem Fall Bellen) ist oft mit einer der Ursachen. Meist liegt es daran, dass zu schnell der Schwierigkeitsgrad gesteigert wurde, dein Hund überfordert ist, zu lange keine Belohnung erhält, weil er ja was nicht richtig gemacht hat und so frustriert ist. Weitere häufige Auslöser für Frustration sind Trainingsfehler, nicht bedürfnisorientiere Auslastung, unstrukturiertes Training und ein nicht einschätzbares Verhalten der Hundehalter.

Frust aushalten, will gelernt sein…

Dein Junghund zieht immer an der Leine, wenn er einen Artgenossen sieht, er ist sehr aufgeregt und springt sogar in die Leine, um nur irgendwie zu dem anderen Hund zu gelangen.

Aber du hast ja in der Hundeschule gelernt, dass Hundekontakt an der Leine tabu ist. Also muss er diesen Frust aushalten. Auf einmal verändert sich aber das Verhalten und der Hund scheint nicht mehr freudig begrüßen zu wollen. Auch hier liegt oft die Ursache in der Frustration und der fehlenden passenden Bedürfnisbefriedigung.

Unser Lesetipp für dich:
Bedürfnisse, Belohnungen und Motivation

Dein Hund zeigt im Wald Jagdverhalten und wird demzufolge an der Schleppleine geführt. Ohne konkretes Training/Auslastung. Nach ein paar Monaten entwickelt sich „plötzlich“ ein Aggressionsverhalten in Begegnungen mit Artgenossen. Oft ist die Ursache in der Frustration und der fehlenden Befriedigung der Bedürfnisse des Hundes zu finden.

Weitere Beispiele für Situationen im Alltag, die Frust bei deinem Hund auslösen:

  1. Mein Hund springt an mir hoch. Ich drehe mich von ihm weg, bis er mit allen vier Pfoten auf dem Boden steht und kümmere ich erst dann um ihn.
  2. Dein Hund spielt mit einem anderen Hund und du möchtest weitergehen. Er kommt aber nicht. Daher leinst du ihn an und gehst mit ihm weg.
  3. Dein Hund versucht in der Küche etwas zu klauen und du ermahnst ihn und schickst ihn auf seinen Platz.
  4. Du triffst jemanden auf der Straße mit dem du dich unterhalten möchtest. Dein Hund kann nicht warten und zieht an der Leine, setzt sich auch nicht hin. Du bleibst trotzdem stehen und dein Hund äußert dies mit weiterem Ziehen an der Leine oder auch Lautäußerungen.
  5. Mein Hund soll an der Leine laufen. Er sieht einen anderen Hund und möchte hin und spielen. Ich lasse ihn aber nicht hin, denn er soll jetzt an der Leine laufen. Mein Hund empfindet Frust und verknüpft dieses Gefühl mit dem Anblick des anderen Hundes.

    Wer jetzt denkt, Frust ist doch nichts schlimmes und das wird so ein Hund ja wohl aushalten können, der möge sich an das letzte mal daran erinnern, als du unter Zeitdruck standest und direkt in einen 20 km Stau gefahren bist. Es gibt Menschen, die werden in solchen Situationen gewalttätig. Hunde sind da nicht anders. Das oben genannte Beispiel ist eine beliebte Art und Weise, sich einen Leinenpöbler heranzuziehen.

Niemand würde die beschriebenen Situationen als unangemessene Gewalteinwirkung bezeichnen, dennoch sind es Strafen. Denn Strafe bedeutet nicht weiter als das ein Verhalten eine unangenehme Konsequenz für deinen Hund hat.

Kurzer Ausflug in die Wissenschaft:

Wissenschaftler unterscheiden zwei verschiedene Arten von Strafen, die positive Strafe und die negative Strafe. Diese Begriffe führen oft zur Verwirrung, da „positiv“ als „gut“ und „negativ“ als „schlecht“ interpretiert wird. Tatsächlich handelt es sich um mathematische Begriffe.

Positiv bedeutet, es wird etwas hinzugefügt, negativ, dass etwas weggenommen oder vorenthalten wird.
+Strafe: etwas Unangenehmes (Schmerz, Angst, Frust) wird hinzugefügt
Strafe: etwas Angenehmes (Futter, Spielzeug, Aufmerksamkeit, Bewegungsfreiheit) wird weggenommen.

Hier sieht man schon dass eine Grenze zwischen +Strafe und Strafe nicht leicht zu ziehen ist. Wenn ich einem Hund die Bewegungsfreiheit wegnehme (z.B. durch Anleinen), so kann das durchaus zu Frust führen, eventuell auch zu Angst, wenn ein Hund Probleme mit der Leine hat. Es kommt also nicht so sehr darauf an, was der Mensch als Strafe definiert, sondern was der Hund empfindet.

UND NEIN: Wir arbeiten nicht mit aversiven Methoden wie Schmerzzufuhr, am Halsband reißen oder Schlägen! Ebenso arbeiten wir NICHT mit Stachelhalsbändern und ähnlichem.

In Frustrationstoleranz Teil 2 geht es darum, welche Folgen daraus entstehen können. In Teil 3 geht es um Frustreduktion und was du tun kannst, um die Frustrationstoleranz zu steigern.

Vielen Dank, dass du meinen Artikel bis zum Schluss gelesen hast.
Ich freue mich sehr auf jegliches Feedback, über deine Meinungen und Gedanken und freue mich wenn du den Artikel weiter teilst.

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Über die Autorin
Saskia Katharina Siebel

Ich bin leidenschaftliche Hunde- und Menschentrainerin und eine absolute Herzensangelegenheit ist die Familien-, Paar- und Tierfotografie.

Seit einigen Jahren schreibe ich regelmäßig Blogartikel (die es manchmal auch in sich haben) und trotzdem ist das Feedback von euch darauf großartig. Viele von euch nehmen sich meine Worte zu Herzen und viele von euch fangen an sich und ihr Verhalten zu reflektieren. Somit hab ich mein Ziel erreicht 🙂

Ich wünsche mir ein friedvolles, faires und stressfreies Miteinander für jedes Mensch-Hund-Team. Dazu gehört aber mehr als nur Gassigehen und dem Hund Signale beibringen.

Das Wichtigste ist:

Arbeite an dir und lasse dich auf deinen Hund ein. Lerne deinen Hund zu verstehen. Lerne deinen Hund zu lesen. Sei mit Verstand und Herz dabei!

Das Ergebnis wird dich staunen lassen!

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